Die Himmelsfrau
indianisches Märchen
Irokesen/Seneca Mythologie
Quelle: Märchen der Welt, Indianermärchen aus Nordamerika; Fischerverlag; Autor; Frederik Hetmann
Die Clanmutter erzählte: Einst lebten die Menschen im himmlischen Paradies. Und unter dem Himmel lag nicht die Erde, sondern Wasser, das große Wasser, darauf die Wasservögel und viele andere Tiere wohnten. Über dem Wasser stand auch keine Sonne wie ihr sie heute seht, dennoch war der Himmel beleuchtet, vom Baum des Lichts und der wuchs vor dem Haus des Himmelsherrscher.
Der Himmelsherrscher träumte, er träumte er heirate eine schöne junge Frau. Da tat er wie ihm im Traum geheißen. Und vom Atem des Herrschers über den Himmel, wurde die junge Frau schwanger. Der Herrscher des Himmels verstand nichts von der Natur, begriff nicht das Wunder der Natur, sondern entbrannte vor Zorn und Wut.Da träumte er wieder, die Stimme im Traum riet ihm: reiß den Baum des Lichtes aus, der vor deinem Haus steht. Der Herrscher hörte auf die Stimme im Traum, so entstand draußen vor dem Haus ein großes klaffendes Loch im Himmel. Und wie sich die Frau über das Loch beugte und neugierig hinabblickte, überkam ihn wieder eifersüchtiger Zorn und er gab ihr von hinten einen Stoß, dass sie aus dem himmlischen Paradies stürzte und dem großen Wasser entgegen.
Immer noch zornig warf er ihr alles hinterher, Pflanzen, Tiere, Gegenstände die ihr lieb gewesen waren, die Maispflanze, zahlreiche Wildfrüche, Bohnen, Kürbisse, Wölfe, Rehe, Bären, Biber und alles was in unserer Welt lebt.Aber noch gab es unsere Welt nicht. Die unglückliche Frau des Himmelsherrscher fiel durch die Luft herab und die weite Wasserfläche, in der sie hätte ertrinken müssen kam immer näher. Das sahen die Tiere, die in dem großen Wasser wohnten und beschlossen ihr zu helfen. Die Wasservögel breiteten ihre Flügel aus und flogen so nah aneinander dass sich ihre Flügelspitzen berührten, so fingen sie die Himmelsfrau auf.
Die Wassertiere suchten einen Landeplatz. Die große Wasserschildkröte tauchte auf und hob ihren Panzer über den Meeresspiegel, während die anderen Tiere zum Meeresboden hinabtauchten, um dort Schlamm uönd Sand zu holen. Die Bisamratte brachte ein paar Steine, und die Kröte schleppte Algen und Tang herbei - und sie warfen Schlamm, Sand, Algen und Steine auf den Panzer der Schildkröte. So entstand eine Insel, die nach und nach größer wurde.Die Enten lösten sich einander ab, sie hatten schwer zu tragen an der schwangeren Himmelfrau und all denen, die mit ihr heruntergeworfen wurden, bevor sie sie wohlbehalten auf der kleinen Schildkröteninsel absetzen konnten. Die Himmelsfrau dankte den Enten, die sie und dem Kind in ihrem Leib das Leben gerettet hatten. Sie nahm eine Handvoll Erde und warf die Erde von sich. Da vermehrte sich das Land durch die Zauberkraft, die in den Fingerspitzen der Himmelsfrau sitzt; die Insel wuchs und wuchs und wurde eine Welt und die Horizonte rückten in die Ferne, Pflanzen und Bäume begannen zu sprießen, und die Tiere, die der Himmelsherrscher ihr nachgeworfen hatte, fanden Wohnung und Nahrung und vermehrten sich. So entstand die Erde und die Himmelsfrau wurde die große Erdenmutter.
Und was ist mit dem Kind der Himmelsfrau, war es ein Himmelskind oder ein Erdenkind fragte Tecumapease. Sie saß mit ihrem jüngeren Bruder Tecumseh im Kreis der Zuhörerer. Fladen mit Ahornsirup wurden gereicht. Die Clanführerin wandte sich an die Kinder ihrer Tochter und sagte: Hört zu, und vergesst nicht die alten Geschichten, eines Tages werdet ihr sie erzählen:"Die Himmelsfrau gebar eine Tochter, um sie warben viele männliche Wesen, das waren auch Tiere in männlicher Menschengestalt. Doch die Himmelsfrau riet ihrer Tochter alle Freier abzuwehren, bis ein Mann von ihrem eigenen Volk käme, vom Totem der großen Taube.
Dieser Mann kam, trat vor ihr Haus und brachte zwei Pfeile, deren Spitzen er mit Feuerstein gefertigt hatte. Das Mädchen legte sich auf den Boden nieder und der junge Krieger schoß einen der Pfeile in ihre linke Brust und den andern Pfeil in ihren Schoß. Dann ging er fort und sagte ihr er werde am nächsten Tag wiederkommen. So geschah es, doch diesmal nahm er die beiden Pfeile mit und erklärte ihr er müsse sie für immer verlassen.
Zur rechten Zeit dann gebar die junge Frau Zwillinge. Schon ehe die Kinder auf die Welt kamen, hörte man sie im Leib der Mutter sprechen. Das eine Kind sagte, es werde auf dem nächstbesten Weg in diese Welt kommen; das andere erklärte, es wolle den Weg nehmen, den die Natur bestimmt hat. Als nun die Stunde der Geburt gekommen war, zwängte sich der eine Knabe durch den Schoß der Mutter, der andere hingegen kroch aus ihrer Achselhöhle hervor, und die junge Frau starb. Die Himmelsfrau war voller Wut über den Tod ihrer Tochter und fragte die beiden Knaben, wer von euch hat den Tod der Mutter verschuldet. Der Böse klagte seinen Bruder, den Guten an.War der Böse ein Weisser, rief Tecumseh und sprang auf? Er hatte mit 6 Jahren gesehen wie sein Vater auf einer Bahre Tod ins Langhaus getragen wurde. Und kurze Zeit später miterlebt wie die weissen Siedler das ganze Dorf überfallen, die Felder niedergebrannt, und Frauen und Kinder vertrieben hatten. Wenn ich einmal zum Häuptling des Clans gewählt werde, werde ich dafür sorgen, dass sich alle Clans gegen die Weissen verbünden. Die Erzählerin duldete nicht seine heftigen Worte und unterbrach ihn: Gut und Böse, wenn du gut zugehört hast, haben die gleiche Mutter, und wenn du so schnell urteilst kannst du dich täuschen und den Falschen beschuldigen.
Die Himmelsfrau nahm den vermeintlichen Übeltäter und stieß ihn aus ihrem Reich in die Wildnis. Sie wollte, daß er dort verhungere. Aber das Kind starb nicht, er wuchs heran, schneller als andere Kinder und war bald ein ausgewachsener Mann. So wanderte er durch die Welt auf der Suche nach seinem Vater, bestand viele Abenteuer und fand seinen Vater. Er war der Westwind.
Wie er seinen Vater endlich gefunden hatte, lehrte ihm dieser wie man eine Hütte baut, wie man Feuer schlägt, wie man pflanzt und verschiedene Saaten pflegt. Er schenkte dem Sohn, Kornsaat, Bohnensaat und Tabaksaat. Er warnte ihn auch von dem Bösen, der in seiner Eifersucht versuchen werde alles zu zerstören oder zu verderben, was der Gute schaffe.Darauf schuf der Gute zuerst alle Flüsse mit einer zweifachen Strömung, so dass die Menschen leicht hinauf und hinuntertreiben konnten. Der Böse aber verdarb dieses Werk, indem er Wasserfälle und Strudel in die Flüsse einbaute. Der Gute ließ Früchte wachsen und schuf viele Arten von Tieren und Vögeln. Er schuf auch die Fische als Nahrung für die Menschen. Der Böse aber zauberte den Fischen Gräter unter die Haut, dass die Menschen daran erstickten.
Die Himmelsfrau hatte die Tochter in der Erde begraben. Sie trauerte. Viel Zorn und Haß waren in ihrer Trauer. Nach einiger Zeit wuchsen aus dem Kopf der Toten die Tabakpflanze, aus ihren Brüsten das Korn und der Mais aus ihren Fingern die Bohnen und aus ihren Zehen die Kartoffel.
Der Gute der saß am Grab seiner Mutter und bewachte das Wachstum der Pflanzen. Doch die Himmelsfrau war immer noch voller Haß und hielt ihn für den Mörder seiner Mutter. Einmal schlug sie ein Spiel vor, an dem er und sein Bruder teilnehmen sollten. Wer gewinnt, sollte die Herrschaft übernehmen. Es war eines jener Spiel, bei dem man, aus einiger Entfernung Pfirsichkerne in eine Schale werfen muß. Als der Tag gekommen war wollte die Himmelsfrau dem Guten ihre Schale mit Pfirsichkerne geben, aber er lehnte ab, denn er ahnte, dass ihre Steine verzaubert waren. Stattdessen rief er einen Schwarm Haubenmeisen, und bat um ihre Hauben als Wurfsteine, die diese kleinen Vögel auf ihren Köpfen trugen. Er erklärte den Vögeln, dass er sie zu diesem Wurfspiel brauche, und das es um die Macht über diese Welt geht und so liehen sie ihm ihre Federn gern.
Der Gute hüllte also seine Pfirsichkerne in zarten Federflaum, die flogen sicher in die Schale, wie die Vögel in ihr Nest. So gelang es ihm das Spiel gegen die Himmelfrau und den Bösen zu gewinnen.So beendete die Alte ihre Erzählung.
Noch heute spielen die Seneca am kürzesten Tag im Jahr, das große Wurfspiel , und erinnern sich daran, daß wenigstens einmal vor langer Zeit das Gute in der Welt den Sieg über das Böse davontrug.