Geschichten und Interpretationen
Die Auswahl der hier aufgeführten Märchen und Geschichten sind von der Erzählerin Daniela Tax getroffen. "Die Märchen sind ein Ausschnitt aus meinem Geschichtenrepertoire". Heutzutage findet man Märchen und Geschichten in Büchern, als Hörspiel, im Internet oder als Film. Nur einen geringen Anteil habe ich aus dem Munde eines Erzählers, einer Erzählerin gehört. Und ein noch geringerer Anteil ist selbst erdichtet."
"Jede der Geschichten habe ich mir selbst erarbeitet. Das bedeutet, ich habe sie abgeschrieben, den Text in Absätzen, Pausen und wörtlicher Rede strukturiert. So lässt er sich für mich gut erzählen. Während des Schreibens lerne ich den Text am besten."
Zur Erarbeitung eines Märchens gehört ebenso das Verinnerlichen der Geschichte. Das geschieht einmal durch die Vorstellungskraft über die in Sprache gefassten Bilder im Märchen. Dazu hält man das Märchen an, und dehnt die Bilder aus. Unterstützen kann man diesen Prozess durch das Gestalten mit Farbe, Skizzen, Formen, Theater spielen u.v.m. Ich gestalte die Märchen gerne durch eine einfach gefasste Skizzen. Ich habe vor, nach und nach meine Skizzen, in den hier veröffentlichten Märchentexten und Interpretationen einzufügen.
Das Interpretieren sollte am Ende stehen. Es stellt den Versuch dar, die Essenz eines Märchens herauszuarbeiten. Die Bedeutung, die das Märchen für mich und für die heutige Zeit haben kann. Es ist ein analytisches Denken, das schnell zu einer rein rationalen Arbeit verkommen kann, die das Märchen einengt. Das Ziel ist es das Märchen zu weiten, es auf emotionale, psychologische, zeitgeschichtliche, und seelische Lebensaspekte auszudehnen. Dabei ist es immer nur meine Sichtweise auf das Märchen und stellt keine Allgemeingültigkeit dar. Genau dadurch werden die Märchen nicht verbraucht und bleiben jung.
Um so mehr freue ich mich über jede Anregung, Kritik, Gefühle und Gedanken, die von den Lesern wieder zu mir zurückfinden.
Max Lüthi hat volkstümliche Erzählungen in unterschiedliche Typen eingeteilt und charakterisiert. Er schreibt: "Alle Wirklichkeit, auch die unscheinbare, nebensächliche, drängt danach, Sprache zu werden."- Die Klatschgeschichte; "entsteht wenn von untergeordnetes oder nur von außen gesehenes menschliches Geschehen berichtet wird, teils um seiner selbst willen, teils um an irgendeinem "ethischen" Maßstab gemessen zu werden."
- Der Witz hingegen freut sich an der Durchbrechung gültiger Gesetze, an der Verkehrung der Maßstäbe, an der Herstellung grotesker Beziehungen.
- Die Saga lebt von der Familien-Pietät; die Familie ist ihre Welt, von ihr aus sieht, deutet, beurteilt sie alles.
- Die Sage berichtet über das Ausserordentliche Seltsame, Unerhörte; sie läßt sich ergreifen vom einzelnen Geschehnis, sie erlebt und sieht es als etwas Bedeutendes und stelle es als solches dar; sie versucht Zusammenhänge aufzuzeigen, gibt aber keine endgültigen Antworten, wie die
- Legende ,welche das einzelne Geschehnis eindeztig in einen dogmatischen Zusammenhang einordnet.
- Die Mythe führt die wesentlichen, stetig sich wiederholende Abläufe der Wirklichkeit bildlich auf einen einmaligen grundsätzlichen Vorgang zurück; einen Vorgang der zum Geschick wird.
- Das Märchen aber greift die von diesen einfachen Erzählformen herausgearbeiteten Motive auf, sublimiert sie und läßt sie Glieder werden einer weit ausgreifenden Erzählung, die viele Episoden umfassen kann und doch zielstrebig bleibt.
Dazu gehören auch die vielen Bilder und Illustrationen in den Märchenbüchern. Manche regen besonders zum Nachdenken an:
Die Geißenmutter verlässt Haus und Geißenkinder. Sie ist weiß, wie der Boden auf dem sie läuft, darin verschwindet ihr Körper, sichtbar wird sie durch ihr farbig gemustertes Kleid, es schwingt im mütterlichen Eifer. Ist da nicht im oberen Teil des Kleides, auf der Brust ein rotes Krönchen oder ist es gar ihr warmes Herz. Der braune Korb ist leer, sie ist auf dem Weg Futter für ihre Kinder zu besorgen. Das Häuschen, das sie gerade verlassen hat, hat die warme Farbe des Holzes. Die spärlich genutzte Farbe erwärmt und belebt.
Die größten Flächen des Bildes sind schwarz und weiß, der weiße Boden, auch auf dem Dach liegt der weiße Schnee, die Geiß sagt beim Weggehen zu den Kindern: "hütet euch vor dem Wolf, ihr erkennt ihn an seinen schwarzen Pfoten, nicht so weiß und hell wie meine."
Schwarz ist der Hintergrund, alles oberhalb des Horizonts. Das typische Schwarz Weiß Denken im Märchen wird hervorgehoben, die gute Geiß und der böse Wolf. Die Konturen des weißen Kopfes der Geiß treten auf dem schwarzen Hintergrund deutlich hervor, sie lächelt zuversichtlich. Das ist die Zuversicht der Grimmmärchen, am Ende siegt das Gute.