Die Alte im Wald; Interpretation
Wie im Titel vorweggenommen spielt das Märchen im Wald. Es ist ein tiefer und unwegsamer Wald, hier herrschen keine oder andere Gesetze. Die reichen Herrschaften werden ausgeraubt und ermordet und die kleine Dienstmagd bleibt am Leben. Nachdem sie unter einem Baum zur Ruhe kommt erfährt sie den Zauber des Waldes unter dessen Schutz und Fürsorge sie sich zur neuen Königin wandelt. Im Wald wohnt "die Alte", im englischen heißt es "the old women", eine Zauberin, im Märchen wird sie als böse Hexe bezeichnet. Sie bewahrt und bewacht die Ringe, Symbol für die Ewigkeit, die weder ein Anfang noch ein Ende hat. Für mich ist die Alte im Wald nicht böse, sondern sie prüft die Menschen, ob sie im Kern gut und fest sind. Wie das Leben selbst Das Märchen erzählt von der Kraft der Liebe, die Verwünschungen lösen und zum Guten führen wird. Wie der schlichte Ring, erzählt auch das Märchen in wenigen Bildern, Handlungen und knappbemessenen Worten, es lädt die Zuhörer ein auf die Suche zu gehen nach den wahren Werten.
Wie die weiße Taube, die den dunklen und verwunschenen Wald mit ihren Weisungen erhellt und zu einem Ort der Heilung wandelt so möchten diese Interpretation die spärlichen Bilder mit Hilfe der Intuition und Fantasie beleuchten.1.Bild: Die Alte und die Ringe. Die Frau sitzt mit dem Rücken zum Ofen, die Wärme tut ihr gut sie hat beide Türen im Blick. Die Haustüre und die, die in das Zimmer mit den Ringen führt. Lange Zeit hatte sie sich bemüht dem Prinzen die wahre Liebe auszureden. Er musste doch einsehen, dass Liebe keinen Wert hat und nur vorübergehend ist, viel aussichtsreicher ist die Macht, und das Einheiraten in eine reiche Familie. Sie steht auf, betrachtet die Ringe und liest die Gravierungen, "meine Liebe", sie steckt den Ring mit einem großen Diamanten an ihren Finger, nimmt ein hochkarätiger Hochzeitsring auf und liest "ewig treu". Einen weiteren "du bist die wertvollste" die feingeschliffenen Granaten leuchten. Ein Ring mit schillerndem Herzen, die Worte darin "ewig treu" sind verblasst. Keines der Versprechen wurde eingehalten, alle haben ihre Liebe gegen etwas Besseres eingetauscht, ewig jung, ewig reich und ewig glücklich. Der jüngste Ring in ihrer Sammlung ist schlicht, "für immer dein", jetzt ist er ihr. Allein dieser Ring hat seinen Wert nicht verloren. Sie schließt die Hand um ihn, er ist warm und pulsiert wie ein kleines lebendiges Herz. Er ist gepfändet, das Wort des Prinzen "Liebe ist die stärkste Kraft", gegen ihr Wort "Macht ist die stärkste Kraft". Sie hat den Prinzen verwunschen, denn wenn die Liebe die stärkste Kraft ist, dann muss der Prinz auf ihre Wirkung vertrauen, als Baum kann er nicht eingreifen und das Geschehen nur im Inneren empfinden. Wenn aber die Hexe recht behält und die Macht die größte Kraft ist, dann ist die Liebe unbedeutend. Und es zählt unter den Menschen nur der materielle Wert wie der Preis und Glanz eines Ringes. Menschliche Stärken werden genutzt um andere zu Unterwerfen und Auszubeuten. Die Welt teilt sich in Sieger und Besiegte, Herrscher und Bedienteste, Räuber und Opfer.
2. Bild: Das Paradies, der Baum, die Taube und das Mädchen. Der Prinz ist verwunschen, ein Baum und fest verwurzelt, gleich wie sein Pferd, seine Diener, ja der ganze Hofstaat sind im Wald gefangen und müssen auf Erlösung warten. Einzig die Taube, die sich im Schutz seiner Baum Krone niedergelassen hat, eine Tochter der Luft ist frei. Der Prinz lauscht ihrem Gurren, dem Flattern ihrer Flügel, ihr weißes Gefieder ist wie ein Lichtstrahl im dunklen Wald, in seinen Gedanken ist er mit ihr verbunden. Sie gibt ihm Hoffnung und Zuversicht. Eines Tages kommt das Mädchen, es ist hungrig und allein, ohne eine Menschen Seele. Sie lehnt sich an seinen Stamm und trifft den Beschluss sich nicht mehr wegzubewegen, egal was kommen wird. Anstatt seiner legt ihr die Taube die Schlüssel zu den verborgenen Kammern in ihre Hände. Der Prinz spürt das Mädchen still, seine Liebe wächst, wie sie da sitzt und das Brot in die Milch tunkt, wie sie schläft und wie sie sich kleidet. Bald ist es ihm als ob sie in seinem inneren Reiche ein und aus gehe und sie führen ein gutes und ruhiges Leben. Dieses Dreigeflecht, der Baum, die Taube und das Mädchen, Pflanze, Tier und Mensch haben eine starke Verbindung. Es ist ein vorübergehender paradiesähnlicher Zustand, der die Kräfte in der Stille des Waldes sammelt und letztlich die Welt und das Gute in ihr rettet.
3. Bild: Die Erlösung. Etwas verändert sich im Inneren des Prinzen, er möchte die junge Frau berühren, sein Verlangen sie in den Arm zu nehmen, aus dem Baum herauszutreten und sich ihr zu zeigen wird immer stärker. Die Taube kennt die Gedanken des Prinzen, sie bittet die junge Frau "kannst du mir zu Liebe helfen" diese Bitte ist keine Floskel, genauso wenig die Antwort des Mädchen "von Herzen gern". Die Taube zeigt ihr den Weg zur Hütte der Alten, bittet die junge Frau ihr den schlichten Ring aus dem Haufen der glitzernden Ringe mitzubringen, denn der Wert des Ringes liegt in seiner Schlichtheit. Die alte Frau überführt sich selbst, wie ein Verbrecher, der seine Tat verbergen möchte und genau dadurch auf die Indizien hinweist. Tatsächlich hat sie den Ring mehrfach versteckt, einmal im Glanz der anderen, dann im Schnabel eines Vogels, der wiederum in einen Käfig gesperrt ist, den sie aus dem Zimmer bringen möchte. Die alte Frau lässt sie sich den Ring einfach abnehmen, sie greift das Mädchen nicht an, das Mädchen steht so lange außerhalb ihres Wirkungskreises, solang es sich nicht auf die Alte einlässt. Das Mädchen kommt zurück, sie wartet auf die Taube, der sie den Ring bringen möchte. Die Taube wird nicht mehr kommen. Vielleicht trägt das Mädchen den Ring am Finger, wo sonst könnte sie ihn sicher aufbewahren? Und sie ist es gewohnt die guten Gaben der Taube anzunehmen. Sie lehnt sich an den Baum, schmiegt sich an ihn und er gibt nach und umarmt sie. So stehen sie ganz ruhig und innig und wie sie sich umblickt sieht sie den erlösten Prinzen. Der ja immer schon da, aber in seiner Gestalt verborgen geblieben war. Es begann mit dem brutalen Überfall, der Wald ein gefährlicher Ort, worin keine Menschen Seele leben kann, anstatt Angst und Schrecken regieren. Wie es die Art der Märchen ist, trotzen die Hoffnungsträger den Prüfungen und das junge Paar hat die Liebe zu ihrem höchsten Gut erkoren. Den Ring der Liebe tragen sie voran wie ein Schutzschild gegen alle Zweifel und böse Kräfte. Als König und Königin werden sie regieren und Zuversicht und Hoffnung in die Zukunft tragen.