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Im Land der Schneekoppe

Im Riesengebirge und Breslau begegnen wir Riesen und Zwergen

Die Riesen

Die Riesen sind in den Märchen und Mythen einmal die Übermächtigen, die die man fürchten muss. Als solche sind sie häufig eingebildet, dumm und grob. Wie die einäugigen Zyklopen, die sich Odysseus und seinen Männern in den Weg gestellt haben, oder die einfältigen Riesen, die das tapfere Schneiderlein überwältigt hat.

Doch es gibt auch die Riesen, die sehr sanft und großmütig sind und sich in den Dienst der guten Menschen stellen. Ich denke hier an die Geschichte von Gullivers Reisen, wie er auf der Insel des kleinen Volkes "Lilliput" gestrandet war und sich in ihren Dienst gestellt hat.

So gibt es den Riesen "Rübezahl" im Riesengebirge. Von welcher Art er ist und was das mit Land und Leuten zu tun hat, auf diese Spuren werden wir uns begeben.

Der höchste Teil des Gebirgszuges der Sudeten ist das Riesengebirge, polnisch Korkonosze, gebirgsschlesisch Riesageberge oder Riesegeberche.

Sein Kamm bildet die Grenze zwischen Polen und Tschechien. Es erreicht in der Schneekoppe eine Höhe von 1602 Metern. Es ist ein Mittelgebirge und überragt den Schwarzwald mit mehr als 100 Höhenmetern.

Sein Charakter ist gekennzeichnet mit eiszeitlichen Gletscherkaren, Bergseen und den steilen felsigen Flanken der Berge. Beeindruckend sind auch die einzigartigen Felsformationen. Die hohen Türme und Blöcke aus Granit, die durch ungleichmäßige Verwitterung so verschiedene Formen angenommen haben, sie ähneln oft Menschen oder Tieren, die bis zu 30 Metern in die Höhe ragen. In den Flussläufen bilden sich viele imposante Wasserfälle.

Die hier ursprünglich vorherrschenden Laub und Mischwälder wurden jedoch größtenteils durch Fichtenmonokulturen ersetzt. Nur in den Flusstälern sind noch Reste der Laubwälder vorhanden. Die natürlichen Nadelwälder wurden ebenfalls zum großen Teil durch Fichtenmonokulturen ersetzt. Diese sind durch Luftverschmutzung und Bodenversauerung oft stark geschädigt. Der Grund ist die geografische Lage im Schwarzen Dreieck, einer Region um das deutsch-polnisch-tschechische Dreiländereck, in der eine große Zahl von Elektrizitätswerken, die mit Braunkohle betrieben werden, existiert. Der saure Regen ist seit Beginn der 1990er-Jahre stark reduziert, trotzdem konnte der Prozess des Waldsterbens der bereits in den 1970er-Jahren einsetzte und Ende der 1980er-Jahre seinen Höhepunkt erreichte, noch nicht vollständig gestoppt werden.

Heute steht das Riesengebirge als Nationalpark unter Naturschutz, große Teile stehen außerdem als Biosphärenreservat unter dem Schutz der UNESCO.

Das Klima: Die Winter sind kalt und die Schneehöhen oft über 3 Meter. Weite Teile des Gebirges verbergen sich fast die Hälfte des Jahres unter einer Schneedecke, die höheren Lagen sind oft im Nebel verborgen. In der warmen Zeit zwischen Mai und Oktober finden wir ein ideales Wanderklima vor, abwechslungsreich und erfrischend.

Heute typisch für das Riesengebirge sind die vielen Bergbauden in den höheren Lagen. Dies waren Schutzhütten, die ursprünglich von Hirten im Sommer bewohnt wurden. Mit den ersten Wanderern um 1800 wurden die Bauden als Rast und Unterkunft interessant und sind schließlich zu Herbergen umgebaut.

Die Bauden bilden wichtige Rast- und Übernachtungsstationen auf unserem Weg über die Gebirgskette.

Heute ist es eine Freude frei über den Kamm des Riesengebirges zu gehen, während der DDR Zeit war es verboten und die Grenze zur damaligen Czecheslowakei streng bewacht.

Der Riese Rübezahl
"Sicher ist, daß das Riesengebirge schon vor Zeiten weltberufen hieß, weil Rübezahl in dessen Höhlen und Gruben und auf dessen Hochmooren und Geröllhalden sein Wesen trieb. Da wo die Schneekoppe alle Gipfel überragt, da wohnt er.

Rübezahl, der frechste aller Pferdediebe und Necker. Der tollste Marktschreier und Bauernklotz. Auch der kühnste Musikant um Felsgetrümmer und um Krummholzknorren.

Von Menschen wimmeln Millionen, alle nach ein und derselben Fasson allein in einer einzigen Großstadt durcheinander. Von dieser Art Berggeist gibt es nur einen und immer denselben durch alle Zeiten. Er braucht von seinesgleichen, weil es Derartiges gar nicht gibt, nicht weiter unterschieden werden.

Das Geheimnis um Rübezahl ist alt wie die moosigen, grünspiegelnden Felsen, die in die feuchten Gebirgsschluchten hängen. Nämlich Rübezahl ist selber alt wie die Steine. Vermutlich so alt wie die Riesenwoge aus Granit, die schon in Urzeiten zwischen Böhmen und Schlesien ausrollte und zum Riesengebirge erstarrte."

zitiert von Carl Hauptmann, dem Bruder von Gerhart Hauptmann, der die Geschichten des Berggeistes gesammelt und literarisch verfasst hat.

Rübezahls Geschichten werden uns auf den Wanderungen durch sein Gebirge begleiten.

Der Riese unter den schlesischen Literaten ist der Nobelpreisträger Gerhart Hauptmann.

Gerhart Hauptmann, geboren 1862 in Ober Salzbrunn in Schlesien; gestorben 1946 in Agnetendorf/Agnieszków in Schlesien. Als Schriftteller und Dramatiker gilt er als der bedeutendste deutsche Vertreter des Naturalismus, hat aber auch andere Stilrichtungen in sein Schaffen integriert. Einige bekannte Werke sind: die Weber, die Ratten, Bahnwärter Thiel oder der Biberpelz. 1912 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

Er war ein Weltenbürger, ein Europäer und auch ein heimatbezogener Mensch. Der die längste Zeit seines Lebens im Riesengebirge, mit dem Blick auf die Schneekoppe lebte. Seine Villa in Agnetendorf wurde in polnisch deutscher Zusammenarbeit zum Museum ausgebaut. Beeindruckend ist die Orginalbemalung der großen Halle des Hauses, die mythologische Figuren, Themen aus seinen Werken, sowie privates und heimatbezogenes verbindet. So ist über der ehemaligen Bibliothek des Schriftstellers ein Jungbrunnen gemalt. Damit ist gemeint: Der erhält sich jung, der sich von dem geistigem Gedankengut beflügeln lässt und sich mit der Literatur täglich auseinandersetzt. Weiter durch die orginalen Fotos, die ausgezeichneten filmischen Dokumentationen, sowie die ausführlichen und interresante Führung bildet der Besuch im Museum den literarischen Höhepunkt unserer Reise. Das Museum ist als solches mit dem Kulturpreis ausgezeichnet worden.

In seinen Texten, wird Gerhart Hauptmann unsere Reise beflügeln.

Die Spuren von Gerhart Hauptmann führen uns in das damaligen Schreiberhau, heute Szklarska Poreba. Hier steht der Bauernhof den Gerhart Hauptmann mit seiner ersten Frau, Marie Thienemann, ihren gemeinsamen Kindern, sowie seinem Bruder Carl immer wieder besucht haben. Dieser Ort ist heute ein Ski- und Wanderzentrum im Riesengebirge.

Hier befinden sich noch die aus der Gründerzeit stammenden Ferienvillen, teilweise renoviert, teilweise verfallen. Neben ihnen die Ferienbunker aus kommunistischer Zeit, bunt durchgewürfelt mit neuen groß herausgeputzten 4 Sterne Hotels.

Doch wo es Riesen gibt, gibt es auch Zwerge.


Die Zwerge

Die Zwerge zeichnen sich aus: durch ihre geringe Größe, ihr hohes Alter, sowie ihre Kenntnisse von Erzen und Schätzen unter der Erde. Unter den Riesen sind die Zwerge die Untergrunds- und Widerstandskämpfer. Ihren Mut, ihre Unermüdlichkeit und ihr Sinn für Gerechtigkeit sorgen für Ausgleich zwischen klein und groß, wichtig und unwichtig, berühmt und vergessen, arm und reich.

Die Zwerge schürfen nach Eisenerzen, Gold und Edelsteinen.

Schreiberhau, Szklarska Poreba bewirbt sich um den Namen der Mineralogischen Hauptstadt Polens. Es wurden in Riesengebirge und Isergebirge über 50 allgemein auftretende Mineralien klassifiziert und viele von ihnen haben die Eigenschaften der Edelsteine und Halbedelsteine, u. a. Amethyste, Bergkristalle, Achate, Turmaline, Olivine, Hyazinthe, Aquamarin, Topas, Mondstein. Das Riesengebirge und sein Reichtum wurden von den mittelalterlichen Kennern der Geologie und des Bergbaus - Wallonen gerühmt. Das dortige mineralogische Museum hat die umfangreichste Sammlung im Riesengebirge.

Auf der Reise zeigen uns die heutigen Wallonen und Kenner des Riesengebirges wie man in den Bergbächern Gold waschen und in den Felsen echte Bodenschätze finden kann.

Die Zwerge in Breslau sind ein Symbol des Widerstands der Stadt.

So war das Auftauchen der ersten Zwerge Anfang der 1980er Jahre zusammen mit der "Orangen Alternative". Es waren lustvolle Happenings und kleinen Sabotageakten, gegen das kommunistische System. Es waren meist Studenten, die sich im Untergrund zusammenfanden und ihrem friedlichen Protest mit dadaistischen Aktionen Ausdruck verliehen. Wenn sie Ort und Zeit ihrer Aktionen auf Hauswände schrieben, trugen sie oft Zipfelmützen. Und wenn die Botschaft über Nacht von Amts wegen übertüncht wurde, malten sie frech einen Zwerg auf die leere Fläche.

Damit deckten sie die Absurditäten des kommunistischen Alltags auf und entzogen sie sich der Strafbarkeit. Wenn einer von ihnen als personifizierte Inflation durch die Straßen galoppierte oder eine Gruppe "Nieder mit der Hitze" skandierte, waren die Machthaber machtlos und die Breslauer hatten etwas zu lachen. Oder die Mitglieder der Orangenen Alternative sangen Lieder, in denen der Staatsapparat und seine Gefolgsleute verhöhnt wurden, so z.B. durch das Singen von Stalin-Hymnen vor dem Schimpansengehege im Wroclawer Zoo. Oder sie skandierten ein anderes Mal zu tausenden "Wir lieben Lenin".

Doch die Zwerge haben nicht nur damals die Macht in der Stadt übernommen - sie sind geblieben. Bis heute reagiert die kreative Künstlergruppe auf Absurditäten des Alltags und entlarvt die Lächerlichkeit der Stereotypen und die ideologischen Phrasen in der Politik. Und deswegen ist im Jahre 2001 jemand vom Stadtrat auf die Idee gekommen, aus diesen Zwergen ein Symbol der Stadt zu machen: So kamen die Werbestrategen auf die Idee, handtellergroße Zwergskulpturen aufstellen zu lassen. Ein erster kam in die Swidnicka Straße, dort bei der Uhr, wo seinerzeit die "Orangene Alternative" sich versammelte und ihre Aktionen abhielt." Mittlerweile haben sich die Zwerge vom ursprünglich politischen Symbol zur Touristenattraktion gewandelt. Und es sind !

Auf unserem Weg durch Breslau werden wir aufmerksam sein und einige, der mehr als 150 schuhgroßen und wahllos verstreuten Zwerge finden.

Die Zwerge bringen Schätze ans Tageslicht, die lange verborgen bleiben mussten, wie das Panoramabild Raclawice

Das Überleben dieses Bildes, seine Entstehung, seine Reise und die 39 Jahre, die es im Untergrund verbrachte zeigen; dass historische Ereignisse, nationaler Stolz und einmal geschaffene Kunstwerke an die Öffentlichkeit sollen.

Über die Entstehung des Panoramabildes: Das Bild wurde am 5. Juni 1894 anlässlich der Nationalausstellung Lemberg, polnisch Lwów gezeigt. Der Ideengeber war der bekannte Lemberger Maler Jan Styka, der mit dem Schlachtenmaler Wojciech Kossak die Federführung innehatte.

Das Panoramabild ist 15 m breit × 114 m lang = 1710 m² groß. Es zeigt den Sieg der polnischen Armee über die russische 1794 in der Schlacht bei Raclawice unter der Führung des polnischen Generals Tadeusz Kosciuszko.

Die Reise des Bildes: Ursprünglich war das Panoramabild der touristische Höhepunkt der alten Stadt Lemberg. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es im Jahr 1946 unter Geheimhaltung zerlegt und aufgerollt nach Breslau, polnisch Wroclaw, gebracht.

Dort lag es 39 Jahre im Untergrund versteckt und es bemühten sich mehrere Bürgerinitiativen um die Restaurierung und Ausstellung der Leinwand. Ohne Erfolg, denn das Bild stellt die Niederlage der russischen Armee dar, und es bestanden Befürchtungen das Bild würde den polnischen Nationalstolz wecken und die Sowjetischen Behörden und deren Zentralherrschaft untergraben.

Erst nach der Lockerung der politischen Lage wurde es 1985 wieder herausgeholt, renoviert und in einem eigens dafür errichteten Rundbau zur Schau gestellt.

Heute gehört es zu der Hauptattraktion Breslaus.

Es gibt kein historisches Museum in Breslau, welche die Geschichte der Stadt über all die Jahrhunderte dokumentierte. So gewinnt das Panoramabild auch für uns und die Touristen in Breslau zusätzlich an Bedeutung. Der Wunsch Geschichte zu begreifen und erfahrbar zu machen ist groß, auch wenn sie wie die polnische Geschichte, mit vielen Brüchen bis heute zu kämpfen hat.


Donnerstag, 28.03.2024